Fisch - Gesundes Lebensmittel oder ökologische Katastrophe?
#scienceroundup
22 Juni, 2022 durch
Fisch - Gesundes Lebensmittel oder ökologische Katastrophe?
Michael Moschny
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Fisch - Gesundes Lebensmittel oder ökologische Katastrophe?

Hintergrund

Fisch gilt als gesundes Nahrungsmittel, als optimale Proteinquelle und manche Fischarten auch als hervorragende Omega-3-Quelle. Doch ist dieses Bild vielleicht überholt oder das Propagieren von Meeresfisch als Nahrungsquelle aus ethischer und ökologischer Sicht gar fahrlässig?

Fischfang

Von Überfischung haben wir alle bereits gehört und wahrscheinlich achten viele von euch beim Kauf von Fisch auf verschiedene Zertifikate. Auf diese näher einzugehen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Jedoch ist offensichtlich, dass trotz zahlreicher Zertifizierungen verschiedenster Unternehmen die Fischbestände stark rückläufig sind (1), weshalb bei einer gleichbleibenden Entwicklung im Jahr 2050 mit einem Rückgang der Fischpopulation um mehr als 88 % gerechnet werden muss. In diversen Ländern leiden kleine Fischer, die im kleinen Ausmaß Fisch fangen und für den täglichen Handel und zum Eigenkonsum arbeiten, bereits massiv unter diesen Rückgängen. Die Fischereinindustrie reagiert indessen mit einer „Optimierung“ der angewendeten Fangmethoden, um trotz geringerer Bestände die Fangquoten zu erreichen, was die Negativspriale nur weiter befeuert.

CO2 & das Meer

Eine dieser effektiveren Fangmethoden ist das „Bottom Trawling“ bzw. Schleppnetzfischen, bei dem das Netz über den Meeresboden gezogen wird. Allein durch diese Methode wird pro Minute die Fläche von rund 4.300 Fußballfeldern nachhaltig zerstört. Rund 93 % des Weltweiten CO2 ist in den Weltmeeren gespeichert (3), auch im Meeresboden bzw. in Pflanzen, die darauf wachsen. Durch solche Fangmethoden werden nicht nur CO2 freigesetzt, sondern auch diverse Lebensformen zerstört, die für die Speicherung des CO2 verantwortlich sind. Wirft man einen Blick auf die Aufnahmekapazität der Ozeane für CO2, die das 4-Fache des gesamten weltweiten Regenwaldes beträgt (4), wird klar welch schwerwiegende Auswirkungen solch invasive Fangmethoden für das Bestreben einer Verlangsamung des Klimawandels mit sich bringen.

Beifang

Diverse Zertifikate sollen belegen, dass der Fisch nachhaltig, umwelt- oder gar delfinfreundlich gefangen wurde. Dass es sich bei den modernen Fangmethoden dabei eher um eine romantische Wunschvorstellung handelt, wird anhand offizieller Zahlen zum Beifang in der industriellen Fischerei offensichtlich. Rund 40 % des in der häufig angewendeten Schleppnetzfischerei ist Beifang, der oft verletzt oder tot wieder zurück ins Meer geworfen wird. Im Bereich der Shrimp-Fischerei verzeichnen die Länder Zentralamerikas und der Karibik sogar Zahlen von über 60 % und in Extremfällen liegt der Anteil gar bei über 90 %. (5)

Fischfarmen - einen Alternative?

Eine offensichtliche Lösung wäre Fisch und andere Meerestiere in Farmen zu züchten. Leider wird für diese Methode dennoch viel schützenswerter Lebensraum zerstört, wie beispielsweise Mangrovenwälder, die ebenfalls große Mengen an CO2 speichern. Rund 38 % der Abholzung dieser Wälder geht auf die Rechnung der Shrimp-Zucht. (6)

Auch die Futterbeschaffung funktioniert nicht ohne negativen Einfluss auf die Meere. Fischarten wie Lachs sind in freier Wildbahn Raubfische und fressen andere Fischarten. Als Futter kommen somit Fischmehl und pflanzliche Produkte, welche mit Fischöl gemischt wird, zum Einsatz. Um Lachs zu züchten, muss somit also ohnehin wiederum Fischfang betrieben werden. (7) 

Ein weiterer zu beachtender Aspekt ist der durch die Zuchttiere produzierte Abfall der im Meer verbleibt. Eine Lachsfarm produziert pro Jahr etwa die gleiche Menge organischen Müll wie eine Kleinstadt mit 10-20.000 Einwohnern. Das Problem an Farmen ist jedoch, dass dieser Müll in großer Menge auf kleiner Fläche anfällt und so nur schwer abgebaut werden kann. (8)

Wie bei jeder Massentierhaltung ergeben sich auch bei Meerestieren zusätzliche gesundheitliche Probleme wie Läuse oder andere Erkrankungen (9), welche wiederum medikamentös bekämpft werden müssen und somit weitere Belastungen für die Umwelt auftreten und zusätzlich auch kaum von artgerechter Haltung gesprochen werden kann.

Zusammenhänge

Die Besonderheit der Meeresökologie ist die enge Beziehung und die große Abhängigkeit zwischen unzähligen Spezies. In diesem Zusammenhang wird oft Phytoplankton genannt, welches rund 85 % des weltweiten Sauerstoffs produziert. (10) Diese Lebensform ist wiederum in markantem Ausmaß von der Walpopulation und der anderer Meeressäuger abhängig, die maßgeblich zum Bestand des Planktons beitragen, indem Sie durch ihre Ausscheidungen eine Anreicherung der Gewässer mit diversen Nährstoffen bewirken, die für das Phytoplankton lebensnotwendig sind. (11) Während Wale und weitere Meeressäuger somit als Nährstoffproduzenten fungieren, haben andere die Rolle der Gesundheitspolizei. So sind Haie, welche besonders oft als Beifang oder Opfer von Haiflossen-Jägern enden, maßgeblich für die Gesundheit der Ozeane verantwortlich. (12) Die stark rückgängige Zahl vieler Arten, wie beispielsweise die des Bullen- oder Hammerhais um mehr als 80 % (13), sollten uns die Wichtigkeit des raschen Handelns verdeutlichen.

Was nun?

Bedeutet Klimaschutz und Schutz der Meere somit, dass kein Fisch mehr gegessen werden darf?

Diese Frage lässt sich von wissenschaftlicher Seite nicht mit einem klaren „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Klar ist, dass ähnlich wie beim Fleischkonsum, die tägliche Nahrungsmittelauswahl drastischen Einfluss auf unseren ökologischen Fußabdruck hat. In der westlichen Welt muss niemand Fisch oder andere Meerestiere essen, um sich gesund und ausgewogen ernähren zu können. Lebensmittel aus dem Meer, von denen explizit abzuraten ist, sind neben Walfleisch in jedem Fall das Fleisch von Thunfischen und allen Arten von Haien. Neben dem negativen ökologischen Einfluss sind dies Tierarten, die sehr lange leben und somit auch größere Mengen an toxischen Stoffen wie Quecksilber in ihrem Gewebe anreichern. Bei regelmäßigem Konsum können gesundheitliche Grenzwerte rasch überschritten werden, was vor allem für schwangere Frauen drastische gesundheitliche Folgen für das heranwachsende Kind haben kann. (14)

Also kein Fisch mehr?

Zum Schluss bleibt die Frage der individuellen Verantwortung für den Planeten, die jede und jeder von uns für sich selbst beantworten muss. Wir haben als Team die Entscheidung getroffen, die Empfehlung für den Verzicht auf Meeresfisch auszusprechen, tun dies auch in unseren Ernährungsberatungen und berücksichtigen es in unseren Diätplanungen. Wir hoffen dadurch für mehr Aufmerksamkeit bei der Lebensmittelauswahl in Bezug auf die Ökologie zu sorgen, und so unseren Beitrag für einen gesunden Planeten Erde zu leisten.

Quellen

(1) https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.1604008113
(2) https://www.cambridge.org/core/journals/oryx/article/marine-protection-targets-an-updated-assessment-of-global-progress/3849DD951D775B9B125F120CA7D37F01
(3) https://www.nature.com/articles/nature08526
(4) https://www.imf.org/external/pubs/ft/fandd/2019/12/pdf/natures-solution-to-climate-change-chami.pdf
(5) https://assets.wwf.org.uk/downloads/bycatch_paper.pdf
(6) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2851656/
(7) http://www.tilapiastichting.nl/Downloads/8%20-%20AHM%20Terpstra%20-%202015%20-%20The%20use%20of%20fish%20meal%20and%20fish%20oil%20in%20Aquaculture%20and%20calculation%20of%20the%20FIFO%20ratio.pdf
(8) https://www.aquanet.com/blog/will-farmed-fish-feed-the-world-32
(9) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4731428/
(10) https://earthsky.org/earth/how-much-do-oceans-add-to-worlds-oxygen/
(11) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4254789/
(12) https://europe.oceana.org/en/importance-sharks-0
(13) https://www.science.org/doi/10.1126/science.1079777
(14) 
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35650033/

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Michael Moschny 22 Juni, 2022
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